Eigentlich reißen sich Banken um vermögende Kunden. Nur: Wer mit Bitcoins reich geworden ist, bei dem müssen Finanzinstitute genauer hinschauen. Helfen lassen sie sich dabei von jemandem wie Henry Burrows. Hier erzählt der Krypto-Schnüffler von seiner Arbeit.
Die Wirtschaftsdetektive residieren in einem schicken Bürohochhaus am Londoner Hyde Park. Alaco heißt die verschwiegene Beratungsfirma, sie hat drei Dutzend Angestellte und macht in Business Intelligence. Was das heißt? „Wir sammeln Informationen und ordnen diese für unsere Kunden ein, damit sie die richtigen Entscheidungen über ihre Investments treffen können“, sagt Henry Burrows, seit 2016 bei Alaco und Leiter der Digital-Asset-Division. Man untersucht potenzielle Geschäftspartner, mögliche Investmentziele, schätzt Risiken ein. Im Krypto-Bereich ist viel Geld unterwegs – und eine ganze Menge halbseidene Gestalten. Kein Wunder, dass Alaco in das Digital-Asset-Geschäft expandiert ist.
Mr. Burrows, Ihre Firma kommt aus dem traditionellen Due-Diligence-Geschäft, inzwischen beschäftigen Sie sich auch mit Personen und Firmen aus dem Kryptowährungsbereich. Wie kam es dazu?
Anfang 2018 wurden wir von ein paar Banken angefragt, die wissen wollten: Was macht man mit einem 25-Jährigen, der gerade 30, 40 oder 50 Millionen mit Bitcoin verdient hat? Wie finden wir heraus, woher das Vermögen kommt? Wie finden wir heraus, ob es legitim verdient wurde? Wie finden wir heraus, ob ein Teil des Vermögens dieser Person in möglicherweise illegale Geschäfte geflossen ist? Ob er irgendwas im Dark Web gekauft hat oder etwas durch einen Mixer geschleust hat, mit dem man seine Bitcoins anonymisieren kann?
Warum wollen die Banken das wissen?
Sie müssen es wissen, es gibt eine ganze Reihe von Know-Your-Customer-Regeln, mit denen Geldwäsche verhindert werden soll. Wir werden aber auch zum Beispiel von Investoren beauftragt, die Geld in Krypto-Startups stecken wollen und dafür einen Background-Check des betreffenden Unternehmens brauchen.
Wie gehen Sie dann vor, wie findet man Antworten auf diese Fragen?
Am Anfang bekommen wir einfach einen Namen, manchmal braucht es zusätzlich das Geburtsdatum. Dann durchforsten wir die 300 oder 400 Datenbanken, zu denen wir Zugang haben, vor allem aus dem Ursprungsland der Zielperson. Wir schauen uns Medienberichte an, ob es Rechtsstreitigkeiten gab, ob die Person auf irgendwelchen Beobachtungslisten steht. Gleichzeitig durchsuchen wir Kryptoforen, meistens auf Reddit oder Telegram, und schauen, ob wir irgendwelche Informationen darüber aufschnappen können, dass die betreffende Person ein Risiko darstellt. Und wir schauen, ob wir eine Bitcoin-Adresse finden können, die mit ihm in Zusammenhang steht.
Warum sollte jemand seine Adresse öffentlich preisgeben?
Ja, das hört sich heute verrückt an. Aber in den Anfangsjahren von Bitcoin haben das viele Leute gemacht, etwa um für Spenden für Artikel zu werben, die sie geschrieben hatten. Oder es gibt private Chats, die irgendwie ihren Weg in ein Forum finden. Über die Jahre wurden so schon Millionen von Adressen identifiziert.
Wenn Sie eine Adresse haben, wie geht es dann weiter?
Wir lassen eine Blockchain-Analyse darüber laufen, um zu schauen, ob es Verbindungen zu anderen Adressen gibt, mit denen es bekanntermaßen Probleme gibt – weil sie mit Hacks oder Scams oder Ransomware zu tun haben oder zu einem Dark-Web-Marktplatz oder einem Bitcoin-Mixer gehören. So etwas sind Warnsignale. Aber die Frage ist, ob damit unsere Zielperson wirklich schon ein Risiko darstellt. Um das zu beantworten, muss man weitergehen, man muss mit echten Menschen sprechen. Ich beobachte eine Tendenz, sich zu stark auf Technologie zu verlassen, um Risiken einzuschätzen. Das finde ich falsch.
Mit wem sprechen Sie „on the ground“?
So etwas soll diskret zugehen, daher sprechen wir nicht mit aktuellen Kollegen oder Angestellten. Aber wir gehen auf frühere Mitarbeiter oder potenziell konkurrierende Geschäftsleute zu, fragen sie nach dem Arbeitsstil und der beruflichen Reputation der Zielperson. Wir sprechen auch mit unseren Quellen in Strafverfolgungs- und Aufsichtsbehörden, mit Journalisten, Anwälten, Akademikern oder Branchenkennern. Es kommt auf den Fall an. Wenn wir uns einen wichtigen Unternehmer angucken, dann ist es ziemlich einfach Informationen zu bekommen. Wenn es um jemand weniger Bekannten geht, musst du dich etwas mehr anstrengen.
Und diese Leute sprechen bereitwillig mit Ihnen?
In vielen Regionen ist Due Diligence und sind Background-Checks so üblich, dass es fast erwartet wird, dass man mitmacht. In Großbritannien oder den USA wird kaum jemand angestellt oder kaum ein Deal abgeschlossen, ohne dass ein Background-Check gemacht wird.
Was ist Ihre Erfahrung: Hat die Mehrheit der Krypto-Millionäre ihren Reichtum auf legale Weise angehäuft?
Ich habe mir eine ganze Reihe davon angeguckt und ja, das ist alles ziemlich seriös. Die meisten Typen haben einfach Geld verdient, als der Bitcoin-Preis über einen kurzen Zeitraum exponentiell gestiegen ist. Das ergibt auch Sinn. Denn ich glaube nicht, dass irgendjemand in der Lage ist, Millionen über Millionen zu verdienen, indem er im Dark Web handelt. Wir haben aber auch die Erfahrung gemacht, dass viele andere Analyseplattformen Leute sehr schnell zu einem Risiko erklären, das aber eigentlich ein falsches Ergebnis ist. Weil die zugrundeliegenden Informationen das eigentlich gar nicht hergeben. Das hat den ungünstigen Effekt, dass diese Leute bei bestimmten Banken oder Börsen abgelehnt werden. Und es trägt zu dem verbreiteten Gefühl bei, dass die Kryptowelt eine Brutstätte für illegale Aktivitäten wäre.
Das ist sie nicht?
Diese Annahme ist heute überzogen. Es gab halt lange keinen regulatorischen Rahmen, weshalb viele Betrügereien passiert sind. Es war wie im Wilden Westen. Aber das ist absolut dabei, sich zu verbessern.
Author: Bruce Holden
Last Updated: 1704330841
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